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Spezialisierung

Wie man zum Endo-Profi wird.

Eine der größten Herausforderungen für junge Zahnmediziner ist heute wohl die Frage nach der Spezialisierung. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten und längst kann ein junger Zahnarzt nicht mehr damit rechnen, nach der Uni ausgelernt zu haben. Für alle, die sich eine Spezialisierung im Bereich Endodontie vorstellen können, haben wir in diesem Artikel Prof. Dr. David Sonntag, Spezialist für Endodontie (DGZ, DGEndo) und Leiter des einzigen deutschen Masterstudiengangs Endodontologie, zum Interview gebeten.

Was hat Sie bewogen, sich auf dem Gebiet der Endodontie zu spezialisieren, und was reizt Sie daran so sehr?

Zum Zeitpunkt meiner Approbation Ende der 90er war die Endodontie mehr oder weniger ein weißer Fleck auf der Landkarte der deutschen Zahnmedizin. Meine Neugier war deshalb geweckt und ich versuchte mir gezielt Wissen anzueignen. Es gab bei uns weder ein Curriculum noch einen Masterstudiengang zur Spezialisierung in der Endodontie. Mich zog es deshalb ins Ausland, um von Pionieren zu lernen. Ich flog z. B. immer wieder in die USA, da es dort bereits seit 1943 eine nationale Fachgesellschaft gibt. 2002 wurde dann die Deutsche Gesellschaft für Endodontie mit vielen enthusiastischen Endodontologen gegründet. Seither hat sich unglaublich viel getan und heute sind wir auch international in einer guten Position. Für mich war es unglaublich spannend, diese Entwicklung mitzuverfolgen. Bis heute reizt mich an der Endodontie die Mischung aus Geduld und Technik, die für den Erfolg einer Behandlung maßgeblich sind. Je komplizierter und langwieriger der Fall ist, desto mehr freue ich mich, wenn das Ergebnis passt.

Was hat sich im Vergleich zu früher verändert?

Die Endodontie ist heute einfacher, schöner und spannender geworden. Während man sich früher noch quälen musste, die Kanäle richtig auszuleuchten, ist gutes koaxiales Licht passend zur Vergrößerung heute eine Selbstverständlichkeit. Dazu war die rotierende Aufbereitung seinerzeit schon ein großer Fortschritt, die mit dem reziproken Verfahren noch einmal deutlich verbessert wurde. Weiterhin sind die Röntgenergebnisse heute einfacher beurteilbar und durch die Digitalisierung sofort verfügbar. Therapien können dadurch noch zielgerichteter geplant und dokumentiert werden. Das hat natürlich auch positiven Einfluss auf das Ergebnis. Insgesamt hat sich die technische Grenze deutlich verschoben: Es ist schön zu sehen, dass man heute vorhersagbar Fälle lösen kann, die früher unmöglich schienen.

Meilensteine der Endodontie:

  • 1950: Erfindung des Münchener Farbencodes, der später zum weltweiten ISO Standard wird.
  • 1958: Entwicklung des ersten ergonomischen Handgriffs aus Kunststoff, der bis 270°C hitzebeständig ist. Dieser Griff wird heute noch weltweit erfolgreich eingesetzt.
  • 1959: Einführung der ersten Stahlinstrumente aus physiologisch unbedenklichem Chrom-Nickel-Stahl
  • In den 70er Jahren werden erstmals steril verpackte Instrumente auf den Markt gebracht.
  • Anfang der 90er Jahre wird erstmals eine maschinelle Aufbereitung durchgeführt. Vorreiter war hier Lightspeed.
  • 2011: Eine Innovation im Bereich der Antriebstechnik und der klinischen Vorgehensweise wird eingeführt: RECIPROC© ermöglicht die Aufbereitung von Wurzelkanälen mit nur einem Instrument.


Diese Meilensteine der Endodontie wurden mit freundlicher Unterstützung der Firma VDW erstellt.

Wie lange dauert es, zum Spezialisten in der Endodontie zu werden?

Die Ausbildung ist durch zahlreiche Fortbildungsangebote von den Universitäten, den Kammern, den Fachgesellschaften, der Industrie und dem Handel deutlich vielfältiger geworden, als es früher der Fall war. Dies macht die Auswahl des richtigen Weges für junge Kollegen nicht einfach. Endo-Spezialist wird nur jemand, der seit einiger Zeit Endodontie auch tatsächlich überwiegend betreibt. Jungen Zahnärzten empfehle ich neben dem Besuch von Fortbildungen jede Gelegenheit zu nutzen, Profis über die Schulter zu schauen. Realistisch betrachtet sollten junge Zahnärzte mit einer Ausbildungsdauer von 6 bis 7 Jahren rechnen, bis sie den Titel führen dürfen.

Prof. Dr. David Sonntag...

...  wird regelmäßig zu nationalen und internationalen Endo-Veranstaltungen eingeladen und diskutiert mit dem Who’s who der Endo-Spezialisten über Behandlungsmethoden, Entwicklungen und Trends. Gleichzeitig versteht er es, in seinen Vorlesungen und Kursen junge Zahnärzte bei den ersten Schritten in die Endodontie zu begleiten. In diesem Interview teilt er mit uns nicht nur sein Wissen, sondern vor allem seine Leidenschaft für dieses Spezialgebiet der Zahnmedizin.

Wie schafft man es, als Endo-Spezialist in einer eignen Praxis zu arbeiten?

Der Weg hin zu einer reinen Endo-Praxis ist lang. Zum einen dauert es, die nötige Routine für sich selbst zu entwickeln. Zum anderen braucht es Zeit, bis man sich einen Ruf erarbeitet hat und die Kollegen tatsächlich überzeugt sind, dass die Patienten sehr gut behandelt werden und auch wieder zurückkehren. Dazu braucht man vor allem Geduld. Ich persönlich habe mich entschieden, Wissenschaft und Praxis zu verbinden. Etwa die Hälfte meiner Zeit verbringe ich als Oberarzt an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und unterrichte dort vornehmlich Endodontologie. In der anderen Hälfte behandle ich in einer Privatpraxis limitiert auf Endodontie

Was ist wichtig, damit eine Wurzelkanalbehandlung erfolgreich durchgeführt werden kann?

Maßgeblich für den Erfolg einer Behandlung ist die ausführliche Diagnostik. Nehmen Sie sich also Zeit für die Diagnose und wägen Sie genau ab, bevor Sie eine Behandlungsstrategie erstellen. Sobald diese steht, ist es wichtig, das richtige Instrumentarium auszuwählen. Neben einer guten Ausstattung und einer angemessenen Vergrößerung ist ein vertrautes und verlässliches Aufbereitungssystem der Schlüssel zum Erfolg. Doch auch der beste Therapieplan funktioniert nicht, wenn am Ende Bakterien im Wurzelkanal zurückbleiben. Kurz gesagt: Nehmen Sie sich Zeit für die komplette Behandlung und vor allem für die Desinfektion.

Erfahrungsgemäß bereitet die Aussicht auf eine Wurzelkanalbehandlung den Patienten keine Vorfreude. Wie nehmen Sie den Patienten die Angst?

Mein Grundsatz lautet hier: Der Patient ist auch während der Behandlung ein Mensch und kein Objekt einer Wurzelkanalbehandlung. Das Ambiente und ein freundliches Praxisteam sind Grundvoraussetzung für eine angenehme Atmosphäre. Mit einem 30-minütigen Beratungsgespräch kann ich den meisten Patienten viele Ängste nehmen und sie lernen mich kennen. Wir besprechen das Problem, die Diagnose und den Therapieplan. Für die Behandlung kehrt der Patient dann zu einem separaten Termin zurück in die Praxis. Wenn ich beim Wiedersehen feststelle, dass ein Patient immer noch aufgeregt wirkt, lasse ich ihn erst einmal in Ruhe ankommen. Dabei unterhalten wir uns außerhalb der Behandlungsposition über Dinge, die nichts mit der Behandlung zu tun haben. Auch wenn ich weiß, wie die Behandlung abläuft, ist es selbst für mich keine schöne Vorstellung, mit einem Kofferdam im Mund auf einer Behandlungseinheit unter einem Mikroskop zu liegen.


Ich versuche daher, allein durch meine Körpersprache Ruhe auszustrahlen, und sage dem Patienten, dass er mir jederzeit auch während der Behandlung Feedback geben kann. Wenn er das tut, sollte man ihm sofort ernst nehmen. Denn wenn der Patient sich nicht wahrgenommen fühlt, steigert er sich schnell weiter in seine Situation hinein. Heutzutage muss man diese Dinge aber nicht mehr zwingend durch Erfahrung lernen. Ich kann jedem jungen Zahnarzt nur empfehlen, Seminare zum Thema Körpersprache zu besuchen.

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Wann sollten junge Zahnärzte die Entscheidung für eine Spezialisierung treffen?

Nach meiner Erfahrung kristallisieren sich die eigenen Vorlieben in den ersten 2 bis 3 Berufsjahren nach dem Zahnmedizinstudium heraus. Wer gerne operiert, ist in der Chirurgie gut aufgehoben. Wer ein besonderes Auge für Ästhetik hat, spezialisiert sich vermutlich über kurz oder lang in diesem Bereich. Und wer sehr technikaffin ist, legt seinen Fokus eher auf Endodontologie. Ich persönlich bin seit meiner Kindheit technikbegeistert und mir war es immer sehr wichtig, in Ruhe an einer Sache arbeiten zu können. In meiner heutigen Tätigkeit als Spezialist behandle ich in einer Privatpraxis an einem durchschnittlichen Tag ungefähr 6 Patienten. Das sind im Vergleich zu meinen allgemeinzahnärztlichen Kollegen sehr wenige. Ich weiß das sehr zu schätzen und kann meine Stärken so am besten einsetzen.

Welchen Weg zum Spezialisten in der Endodontie empfehlen Sie?

Wer heute Examen macht, sollte sich Zeit nehmen, um erste Berufserfahrungen in verschiedenen Zahnarztpraxen zu sammeln. In dieser Zeit werden sich die Vorlieben abzeichnen. Für Endodontie-Interessierte bietet sich dann ein Curriculum in der Endodontie an. Bei der Auswahl an Fortbildungen empfehle ich Veranstaltungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Diese haben den Vorteil, dass man neu erworbenes Wissen in der täglichen Praxis anwendet und dadurch direkt verinnerlicht. Wenn die Neugier dann noch nicht gestillt ist, kann man mit dem Masterstudiengang und anschließender Spezialistenprüfung bei einer Fachgesellschaft den Weg zum Spezialisten einschlagen. Insgesamt sollte man sich Zeit für die Entwicklung der eigenen Fertigkeiten geben.

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Letzter Tipp!

 

Was außerdem wichtig ist, um heute als Zahnmediziner:in erfolgreich zu sein: Das Wissen, das man von der Uni mitnimmt, ist nur ein Ausschnitt dessen, was in der Zahnheilkunde möglich ist. Deshalb gilt:

 

1. Lebenslanges Lernen ist wichtig, um ein guter Zahnarzt zu werden.

 

2. Dazu gehört es, selbstkritisch zu bleiben und die eigene Arbeitsweise immer wieder zu hinterfragen.

 

3. Üben, üben, üben.

Mein persönlicher Tipp für die Endo-Profis von morgen: Ich habe selbst am meisten gelernt, als ich an extrahierten Zähnen geübt habe.

 

Also: extrahierte Zähne sammeln, ausprobieren, hinterfragen und trainieren!

Vielen Dank für das Interview!